Die Geschichte der schottischen Clans

Highlands und Clans – in der schottischen Geschichte gehören beide untrennbar zusammen. Doch: Warum gibt es diese besonderen Familienverbände überhaupt? Wie entstanden sie?

Dudelsackspieler in Urquhart Castle
Dudelsackspieler in Urquhart Castle

Die Familie ist alles! Woher einer kommt, welcher Taten sich seine Vorfahren rühmen oder auf welchem Land er angesiedelt ist – die Familie ist Alles, sie definiert einen und steht für den Einzelnen ein.

Diese Idee der Familie war ein Selbstverständnis in Dalriada, dem ersten großen Reich der Gälen. Dalriada überspannte um 600 nach Christus den Kanal zwischen dem südwestlichen Teil des heutigen Schottlands und der Spitze Nordirlands.

Hier und zu der Zeit wurde bereits die Saat für die späteren Clans der Highlands ausgestreut.

Die Vorläufer der Clans

Unter den Gälen gab es verschiedene Abstufungen der Familie. Der „Derbhfine“ die „gesicherte Familie“ (dearbh fine – sprich etwa „dscherev finä“) zum Beispiel musste für ihre Mitglieder gerade stehen. Das heißt, im Falle eines Unrechts, hatte sie auch die Reparationen mitzutragen. Der Derbhfine definierte sich über die Verwandtschaftsverhältnisse, die vier Generationen umspannte, also zurück bis zum Urgroßvater. Die Anführer dieser Sippe wurden durch einen Rat gemeinsam bestimmt.

Das Land gehörte allen im Derbhfine und jeder hatte das Recht auf einen gleich großen Anteil davon. Dalriada – sogar der Name weist auf diese Praxis hin. „Dail“ heißt „Anteil“ oder „Stamm“ und Riata ist ein Eigenname.

Es gab auch eine weiter gefasste Gruppe dieser Familien, den Cenél, was so viel wie Gruppe, Rasse oder Stamm bedeutet. Das definierte dabei auch ein Stück Land, das von dieser Gruppe besetzt war. Der heutige schottische Bezirk Cowal zum Beispiel führt sich zurück auf „Cenél Comgaill“.

Wikinger-Boot in der Lamlash Bay
Wikinger-Boot in der Lamlash Bay

Derbhfine und Cenél waren beide Vorläufer, doch bis sich die ersten echten Clans bildeten, sollte erst ein Sturm aufziehen: Die Wikinger und Nordmänner kamen und veränderten die Landschaft Europas grundlegend. Dalriada hörte auf zu existieren.

Nicht aber seine Kultur.

Die Clans entstehen – die Zeit des 1. Jahrtausend nach Christus

Das Erstaunliche: Obwohl Dalriada verschwand, setzte sich die Kultur der Gälen gegenüber den Nordmännern und den benachbarten Pikten durch. Und während also im ganzen Rest Europas Reiche entstanden, in denen das Land dem König gehörte und er es seinen Untertanen gegen Dienste oder Abgaben überließ (Feudalismus), blieb die gälische Familientradition mit den geteilten Besitzverhältnissen bestehen. Selbst die ehemaligen Nordmänner, die nun längst ansässige Familien waren, verinnerlichten diese Lebensart – für die war die Idee des Stammes ja nicht unbekannt.

Während die westlichen Gebiete des alten Dalriada inklusive der Inseln wie Skye, Mull oder den Äußeren Hebriden durch Machtkämpfe nordischer Herrscherfamilien paralysiert waren, etablierte sich im Osten das Reich Alba, aus dem später das Königreich Schottland wurde – zuerst war es selbst noch gälisch sprechend, dochmit der Ziet setzte sich dort das Englische weiter durch. Diese Randnotiz ist wichtig im Zusammenhang mit den baldigen Differenzen zwischen Highlands und Lowlands. Doch auch die schottische Krone war eher schwach und konnte die Kontrolle über ihre Gebiete nur unzureichend ausüben.

Die Bevölkerung brauchte Sicherheit und Rechtsprechung, hier sprangen die Clans als Verwaltungseinheit und Schutzgemeinschaft ein. Auf gemeinsame Vorfahren bezogen, auf gemeinsamen Land und im Kriegsfall gemeinsam mit der Hand am Schwert, erstarkten die Familienverbände in den unzugänglichen Tälern Schottlands.

Könige der Inseln – die Jahrtausendwende

Ri Innse Gall – der König der Inseln nannte sich Somerled. Er war es, der für kurze Zeit ein Reich formte, das in einigen Jahrhunderten erst richtig erblühen sollte. Somerled entriss den Nordmännern die Herrschaft über das ehemalige Dalriada und legte sich zusätzlich mit der schottischen Krone an. Kurze Zeit herrschte er über die Westküste Schottlands und die Inseln. Als er auf dem Schlachtfeld starb, zerfiel das Reich zunächst wieder, doch er hatte Nachkommen, die die Urväter berühmter Clans werden sollten. Da war sein Sohn Dugall und der Clan Dugall sind seine Nachfahren. Ein Enkel Somerleds war Ruaidhri, seine Nachkommen die MacRuaris.

Und dann gab es noch Domhnall. Und er gründete den mächtigsten Clan der nächsten Jahrhunderte: die MacDonalds. Sie würden später zusammen mit anderen westlichen Clans die Lords of the Isles stellen, die Herrscher der Inseln, unter denen die gälische Sprache und Kultur eine Blüte erlebte.

Neue Clans aus Frankreich

1066 überrennen die Normannen aus Frankreich das Gebiet von England und zwingen dessen Bevölkerung unter ihre Herrschaft. Die gesamte Adelsschicht wird durch Ritter aus der Normandie ersetzt. Mit sich bringen die Adligen das System der Lehnsherrschafft: Alles Land gehört nun dem König, er verteilt es und die Vasallen sind ihm steuerpflichtig. Und noch etwas ist neu: Bei den Normannen erbt der erste Sohn des Herrschers alles.

Schottland bleibt davon zunächst unberührt, bis David I im Jahre 1124 den Thron in Edinburgh besteigt. David war am englischen Hofe erzogen worden und als er schließlich die Herrschaft in Schottland übernahm, das allerdings damals hauptsächlich den Ostteil des heutigen Landes umfasste, brachte er normannische Ritter und Gebräuche an den Hof.

Das hatte Auswirkungen auf die Clans. Sie übernahmen Teile des Feudalismus und verschmolzen sie mit dem gälischen Erbe. Der erstgeborene Sohn des Clanchiefs erbte von nun ab die Herrscherwürde seines Vaters, das Land des Clans gehörte ab jetzt dem Oberhaupt der Familie und wurde unter den Gefolgsleuten gegen Pacht vergeben. Doch die Idee der gemeinsamen Vorfahren und das Gefühl der Familienzusammengehörigkeit blieb bestehen. Ein Clanchief behandelte seine Untergebenen fast freundschaftlich.

Die französischen Adligen, die David an seinen Hof folgten, ließen sich in Zentralschottland nieder. Ihre Namen waren zum Beispiel Myneris, St Clare, le Grant und de Bruis. Nach einigen Jahrzehnten hießen sie dann Menzie, Sinclair, Grant und Bruce. Und dann war da noch Walter FitzAlan, der Truchsess des Königs David wurde. Truchsess heißt auf Englisch „Stewart“. Als Clan und Haus der Stewarts sollten seine Nachfahren bald selbst schottische und später britische Könige stellen, ehe ihr letzter Prinz die Highland-Familien in die fatale Schlacht von Culloden führte.

Allerdings: Die Familien der Lowlands haben – im Gegensatz zu den Highlands – das Clanwesen nicht gelebt, sie waren eher feudale Lehnsherren. Clans sind also ein System der Highlands, auch wenn viele Lowland-Clans heute eine ähnliche Romantik leben wie die Highlander.

Der Wendepunkt um 1500 nach Christus

Als die schottische Krone schwach war, hatten die Clans große Macht. Und im Westen Schottlands führten die gälischen Familien sogar ihr eigenes Reich von Finlaggan auf Islay. Die Lords of the Isles waren zwar offiziell der schottischen Krone unterstellt, de facto führten sie ein völlig unbeeinflusstes Regime und bewahrten sich dabei ihre gälische Lebensweise.

Blick auf Loch Finlaggan
Blick auf Loch Finlaggan

Bis sie es auf die Spitze trieben: John II, vierter Lord of the Isles hatte sich mit den Engländern verbündet gegen König James IV von Schottland. Doch der war mittlerweile stark genug, um sich durchzusetzen und 1493 das Reich der Inseln aufzulösen. Nicht ohne Gegenwehr! Noch rund fünfzig Jahre versuchten die MacDonalds, MacLeods, MacLeans und MacNeills gemeinsam das Inselreich gewaltsam wieder herzustellen. 1545 hatten sie 8.000 Mann und 180 Galeeren unter Waffen. Sogar England stand an ihrer Seite.

Doch der letzte Erbe des Titel „Lord of the Isles“, Donald Dubh starb plötzlich an einer Krankheit. Ohne ihren gemeinsamen Herren verteilten sich die Streitkräfte wieder in die Winkel der Highlands.

Das Erstarken der Clans im 16. Jahrhundert

Als das Inselreich zerfiel, entstand ein Machtvakuum, denn der schottische König war immer noch nicht stark genug, um sein Recht in den Highlands durchzusetzen. Diese Aufgaben übernahmen die Clan-Oberhäupter. Der Kern der Clans war blutsverwandt, doch beim großen Gefolge ist das eher unwahrscheinlich – auch wenn es die Mitglieder von sich behaupten.

Schon bald begannen sich die ehemals verbündeten Familien zu bekriegen. Es begann eine dunkle Zeit, die als „Linn nan Creach“ als „Zeitalter der Raubzüge“ bekannt wurde, in dem sich die Clans gegenseitig Land, Vieh oder das Leben nahmen.

Besonders blutige Blüten trieb die Fehde zwischen den einst verbündeten MacLeods und MacDonalds. Die MacLeods rotteten sogar die komplette Bevölkerung der kleinen Insel Eigg aus, indem sie diese in einer Höhle mit Rauch erstickten. Kein sehr erbauliche Zeit.

Der langsame Abstieg der Clans im 17. & 18. Jahrhundert

Blick ins Glen Coe
Blick ins Glen Coe

Dennoch einte die westlichen Clans noch immer ihre gälische Kultur, die sie gegen den Druck von außen verteidigen mussten. Druck wie ihn zum Beispiel die Lowlands aufbauten oder zweitweise die Engländer unter Oliver Cromwell. Zudem waren da die Erzfeinde der westlichen Clans: die Campbells. Will man Oberschurken unter den Clans finden, so wären sie die ersten Anwärter. Stets machthungrig, meist ruchlos und immer auf der Seite der Regierung vergrößerten sie ihr Territorium auf Kosten der anderen und ihren Einfluss. Nur zu gerne waren sie dabei, wenn es darum ging die MacDonalds anzugreifen – das Massaker in Glen Coe etwa wurde von einem Campbell befehligt.

Die Kultur, die unter den Lords of the Isles eine Hochzeit erlebt hatte, war keineswegs komplett verfallen. Sie hatte abgenommen, doch die Clan Chiefs, ihre Nobelmänner und -frauen waren keineswegs ungebildet. Die Aos-dàna, zu deutsch die „Begabten“, also Barden, Historiker oder Ärzte, schulten und erzogen die höheren Mitglieder der Clans. Der ungebildete und barbarische Highlander, er ist eine Erfindung der späteren Sieger und der Neider.

Dennoch war der Verfall des gälischen Clansystems kaum noch aufzuhalten, zu groß wurde der kulturelle Druck anderer Mächte.

Der letzte Aufstand

Culloden Gedenkstein
Culloden Gedenkstein

Da kam ein letzter Hoffnungsträger ins Spiel: Charles Edward Stewart – „Bonnie Prince Charlie„. Der Prinz, der in Frankreich im Exil lebte, wollte die Krone Großbritanniens zurückerobern, die seinem Großvater gewaltsam genommen worden war. Unter seiner Standarte vereinten sich die westlichen Clans zum Jakobitenaufstand noch ein letztes Mal. Was oft missverstanden wird: Sie wollten nicht aus romantischer Treue zum Hause des Prinzen kämpfen, sondern um ihre Kultur und Macht zu erhalten. Sie hatten handfeste Eigeninteressen. Würden die Stewarts wieder herrschen, wäre auch ihre Macht wieder gewachsen.

Das Ende kam in Culloden und war blutig.

Das Schwinden der Clanstruktur

Culloden war nur eine Schlacht und entgegen vieler Meinungen war deswegen das Clansystem noch nicht gleich am Ende. Denn auch danach hielten viele MacDonalds oder MacLeods ihre Ländereien weiter in Besitz, und auch Gesetze können eine Jahrhunderte lang verwurzelte Lebensart nicht sofort austreiben.

Was die Clans schließlich vollends ins Verderben stürzte, waren die Finanzlage der Häuptlinge und der wirtschaftliche Umbruch. Viele hohe Clanleute hatten sich zutiefst verschuldet. Durch simple Pachteinnahmen der Untergebenen konnten sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Entweder mussten sie ihre Länder verkaufen oder profitabler werden – zum Beispiel durch großangelegte Schafzucht.

Aber wo Schafe grasen, war für Menschen kein Platz mehr. Untergebene wurden aus den fruchtbaren Ländern in die Städte, an die Küsten oder gleich nach Übersee vertrieben. Der alte Pakt zwischen Clan-Oberhaupt und seinen untergebenen Pächtern, er galt nicht mehr.

Für die Clans war die Familie jedoch Alles. Als das nichts mehr zählte, war auch der Clan nichts mehr wert.

Die romantische Renaissance im 19. Jahrhundert

Doch halt: Begegnen wir nicht auch heute noch Clans? Sogar in aller Welt? Dass die Familien eine Wiedergeburt erlebten, verdanken sie einem Autor namens Walter Scott. In seinen Erzählungen und Gedichten beschwor er den wilden aber tragischen Highlander. Als 1822 schließlich sogar der britische König George IV mit Kilt bekleidet in Schottland auftauchte, wurde das romantische Bild der Clans geboren, das noch heute anzutreffen ist und dem sich sogar die Lowland-Familien anschlossen, die in den Jahrhunderten vorher das Wort Clan niemals in den Mund genommen hätten.

Und die gälische Kultur, die den westlichen Familien so wichtig war, das Erbe Dalriadas und der Lords of the Isles? Es gibt viele Sänger, Autoren und sogar Politiker, die versuchen Sprache, Liedgut und Kunst der Gälen zu erhalten. Ob es ihnen gelingt, weiß nur die Zukunft.

Quellen:

5 Kommentare zu “Die Geschichte der schottischen Clans

    Von Bella Snow

    Wirklich eine wunderbare Zusammenfassung!

    Von Martina von der Heide

    Es gibt ein Film und ich weiß nicht genau wie dieser heißt,war der Meinungsaustausch der ,,the clan,, heißt.
    Ich habe diesen schon einmal gesehen und wollte den nocheinmal gucken aber ich finde diesen nicht mehr wieder .
    Vielleicht könnt ihr mir helfen den Film zu finden 🙄

    Von Harald

    Das könnte dieser hier sein:
    „Die Abenteuer des David Balfour“
    (einfach bei YouTube eingeben)

    Von Annika Siemer

    Danke für diesen Artikel. Er hat mir sehr bei meinem Referat geholfen und war zudem auch noch sehr interessant.

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