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St Michael’s Church auf Eriskay und das Geheimnis der zwei Glocken

Eine kleine Insel, eine kleine Kirche, eine große Geschichte: Die Glocke vor der Tür der St Michael’s Church hat eine weite Reise hinter sich. Und auch der Altar der Kirche ist etwas ganz Besonderes.

St Michael's Church auf Eriskay
St Michael’s Church auf Eriskay

An einem schmucklosen Eisengestell vor der St Michael’s Church auf Eriskay hängt die Glocke. Schwarz lackiert und nicht besonders groß. Die meisten Touristen beachten sie gar nicht weiter. Nur wenige stoppen vielleicht, um sich kurz über den Schriftzug darauf zu wundern: „SMS Derfflinger“ – das klingt nicht gerade nach einem Heiligen.

Mein Reiseführer Äußere Hebriden

Auf 304 Seiten beschreibe ich die Inseln Lewis, Harris, North und South Uist, Benbecula, Barra und Vatersay. Außerdem 7 Touren und 232 Fotos.

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Es sind Geschichten wie die hinter dieser Glocke, die die Reise über die Äußeren Hebriden so interessant machen. Denn die Glocke stammt nicht aus Schottland, sondern aus Deutschland – und sie hat eine weite Reise hinter sich. Über hundert Jahre hat sie auf dem Buckel, ihr Klang war bei Seeschlachten an der Doggerbank und am Skagerrak zu hören. Sie versank sogar mit einer ganzen Flotte in den Meerestiefen, wurde wieder gehoben und samt ihrem Schiff auf einen Schrottplatz gebracht. Der Name dieses Schiffes: SMS Derfflinger.

Die Derfflinger war der Stolz der kaiserlichen Marine, ein moderner Schlachtkreuzer „Iron Dog“ nannten die Briten sie, weil sie sich einmal wie ein Hund am Gegner festgebissen hatte. Nachdem der Erste Weltkrieg dann vorüber war, versenkte sich die Deutsche Flotte im Naturhafen von Scapa Flow bei den Orkney Inseln selbst – auch die Derfflinger.

Doch wie kam diese Glocke dann zur katholischen Kirche St Michael’s auf Eriskay? Und warum?

Die Schiffe in Scapa Flow waren für die Briten einerseits hinderlich, da sie den Hafen versperrten, andererseits hatte alleine das Metall ein unermesslicher Wert, so wurden – bis auf sieben – alle Schiffe geborgen und verschrottet. Ganz zuletzt – nämlich erst kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1946 – schleppte man die mit dem Kiel nach oben liegende Derfflinger von den Orkneys bis nach Faslane nahe Glasgow. Hier wurde sie demontiert.

Glocke der Derfflinger

Dreißig Jahre später suchte Pfarrer Callum MacNeill für seine Kirche auf Eriskay eine Glocke. Sein Weg führte ihn schließlich auch auf einen Schrottplatz bei Faslane, wo er eine Schiffsglocke fand – auf ihr prangten die Lettern „SMS Derfflinger“.

Das gute Stück kam ihm ganz recht. Er ließ es nach Eriskay verfrachten und dort wurde die Glocke von sechs Männern und einem Handkarren den Hügel zur St Michael’s Church hinauf geschleppt. Seitdem läutet sie hier wieder und ruft die Gemeindemitglieder der Insel zu Andacht.

Damit könnte die Geschichte zu Ende sein – wäre da nicht ein kleiner Haken: Die Schiffsglocke der Derfflinger wurde nämlich zum Zeichen der Versöhnung zwischen Großbritannien und Deutschland bereits 1965 der deutschen Marine übergeben – offiziell und mit vielen Fotos belegt. Heute steht sie in der Marineschule Mürwik und fristet ihr Dasein – Mangels Platz – im Magazin des Wehrgeschichtlichen Ausbildungszentrums.

Die Derfflinger-Glocke in Deutschland (Foto: Marineschule Mürwik/WGAZ)

Welche ist nun echt? Sogar in diversen Foren ist man sich nicht einig und Wikipedia-England schreibt gar zwiespältig: „The ship’s bell was delivered to the German Federal Navy on 30 August 1965. Her bell is now on display outside the church of St Michael on the Outer Hebrides island of Eriskay.“ An zwei Orten kann sie ja nicht gleichzeitig sein, oder?

Licht ins Dunkel brachte schließlich das Deutsche Marinemuseum und das Wehrgeschichtliche Ausbildungszentrum der Marineschule Mürwik auf Anfrage (danke, lieber Bruder Andreas für Deine Hilfe): bei „Seiner Majestät Schiff Derfflinger“ gab es zwei Glocken – das war auf Schiffen dieser Größe durchaus öfter der Fall. Eine der beiden hat auf ihrer langen Reise nun einen sicheren und ruhigen Hafen auf der Insel Eriskay gefunden.

Wissen: Über die St Michael’s Church

Die Glocke vor der Tür ist nur ein Gegenstand, der bei der Kirche auf Seefahrt hinweist. An der Abtrennung zum Chor ist eine Schiffslaterne angebracht, an der Tür zur Sakristei eine Uhr in Form eines Steuers und an der Kanzel sogar ein Anker. Und dann der Altar: Er wird getragen von einem Schiffsbug.

Chorbereich

Warum diese starke Anlehnung an alles Nautische?

Wie so oft liegt die Antwort in einem der dunklen Kapitel der schottischen Geschichte: den Highland Clearances. Den Großgrundbesitzern gehörte damals alles. Lady Cathcart zum Beispiel war im Besitz der Inseln Barra, Vatersay und South Uist. Sie vertrieb Einwohner, so wie es ihr passte – viele emigrierten nach Amerika, andere wurden umgesiedelt nach Eriskay. So war die kleine Insel bald überfüllt mit Menschen – an Landwirtschaft war bei der Menge nicht zu denken. Die meisten wurden darum Fischer. Diese Tradition hielt sich.

Eriskay Marienstatue; Foto: Martin Goldmann

Um 1900 herum war die alte Kirche Eriskays zu klein geworden, sie war sowieso nur ein heruntergekommenes Blackhouse mit Reetdach. Der damalige Pfarrer Allan McDonald wollte das beheben und seiner Gemeinde eine neu Kirche bauen. Zur Finanzierung spendierten die Fischer den Erlös des Fangs einer ganzen Nacht dem Kirchenbau. Auch Pfarrer McDonald legte noch Geld ein und schließlich im Jahre 1903 stand die neue Kirche. Sie wurde dem Schutzheiligen der Inseln geweiht, dem Erzengel Michael.

Da Generationen vom Fischfang lebten und die Ausfahrt oft gefährlich war, erinnert heute vieles an die Seefahrer. Den einzigartigen Altar mit dem Schiffsbug entwarf übrigens Pfarrer Callum MacNeill, der auch die Schiffsglocke herbrachte.

Die alte Kirche Eriskays steht nicht mehr; eine Marienstatue erinnert heute an den Ort des früheren Gotteshauses.

Tipp: Blick von oben nutzen

Die Kirche liegt auf einem Hügel, den man ein Stück weit mit dem Auto hoch fahren kann. Von dort bietet sich eine gute Sicht nach South Uist und über Teile der Insel Eriskay selbst.

St Michaels Church Innenraum

Einen schönen Überblick über den Innenraum der Kirche bekommt man von der Empore aus. Die Lichtverhältnisse im Inneren können schwierig sein, da sie relativ kleine Fenster hat. Wer also gute Fotografien will, sollte einen brauchbaren Blitz dabei haben.

Persönliche Anmerkung: Der Schiffsaltar kommt in einem Buch vor

Mir war es auch wichtig den Schiffs-Altar zu sehen, weil er in einem Teil der „Blackhouse“-Trilogie von Peter May vorkam, die ich sehr schätze. Die Geschichte der Glocke der Derfflinger war mir zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, die habe ich erst hier in Deutschland recherchiert.

Anfahrt:

Mit Navigationsgerät: „HS8 5JJ“ bringt einen grob in die Nähe.

Ohne Navi: Von South Uist aus über den Damm kommend, biegt man auf Eriskay rechts ab Richtung „Barra Ferry“ und wenige Meter darauf gleich wieder rechts zur „Eaglais Naoimh Mhicheil“. Den kurzen Anstieg hinauf und kurz vor der Kirche einen Stellplatz suchen.

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