Highland Clearances – Vertreibung aus der Heimat

Sie sind ein Trauma der Highlands: die sogenannten Clearances. Aber was bedeutet der Begriff eigentlich, und was ging da vor sich? Hier die wichtigsten Erklärungen.

Hausruine in den Highlands
Hausruine in den Highlands

Ganz simpel heißt „Clearance“ zunächst einmal „Räumung“. Die „Highland Clearances“ bezeichnen also die Entvölkerung der Landgebiete im Nordwesten Schottlands während des späten 18. und des gesamten 19. Jahrhunderts.

Den Platz der Menschen nahmen dabei meist Tiere ein, denen wir auch heute noch massenhaft in Schottland begegnen: Schafe.

Wie kam es zu den Highland Clearances?

Fragt man einen Einwohner, wird er einem die Geschichte von Gier erzählen: Das Geschäft mit Schafs-Wolle wurde zu dieser Zeit nämlich rentabler als die Einnahmen durch die Verpachtung des Landes an Bauern. Indem die Landeigner also Bauern vertrieben und Schafzucht ansiedelten, konnten sie ihren Ertrag steigern.

Tatsächlich gab es wohl aber noch mehr Gründe für die Clearances:

  • Die wirtschaftlichen Gegebenheiten der damaligen Zeit
  • Der Strukturwandel und die Industrialisierung

Anders herum kann man auch fragen: Hätte die damalige Gesellschaft der Highlands mit der Zeit wirtschaftlich bestehen können? Und wie würde Schottland heute aussehen, wenn dieser Strukturwandel nicht stattgefunden hätte?

Was war so besonders an den Highland Clearances?

Das klingt zunächst nach einer zynischen Frage. Aber wenn man sich die Gegebenheiten in Europa zu der Zeit ansieht, ist die einsetzende Landflucht Richtung Stadt und die Auswanderung nach Amerika etwas, das nicht nur in Schottland stattfand.

Warum aber ist das dann im Gedächtnis der Schotten so präsent? Ein Grund dafür dürfte sein, dass nach der Schlacht von Culloden und mit den Clearances die gälische Identität verloren ging. Das heißt: Das schützende Clan-System verschwand, die Sprache wurde zurückgedrängt und viele verloren Land und Familienmitglieder. All das passierte in einer relativ kurzen Zeitspanne.

Die Clearances zu verstehen, heißt das alte Clan-System zu kennen: Der Chief, der Häuptling der Sippe, wurde gemeinhin als der Wächter des Landes angesehen, und eben nicht als der Eigentümer. Das Land gehörte im Verständnis der Clans-Mitglieder allen. Die Nobelleute des Chiefs, die Tacksman, verteilten Ackerland so, dass alle fair davon profitierten.

Das änderte sich bald nach Culloden. Zwar hielten einige Chiefs noch fest an der alten Rolle als Beschützer, doch am Ende kamen alle unter einem finanziellen Erfolgsdruck, der durch die erzwungene Öffnung der Highland-Gesellschaft stattfand.

Lebten die Chiefs früher nur von Lebensmitteln, die ihnen die Clans-Mitglieder abgaben, benötigten sie nun Geld. Darum begannen sie das Land nun zu vermieten an Bauern, die zahlten. Somit war die alte Tradition aufgebrochen und, wie es Samuel Johnson auf seiner Reise durch die Highlands beschrieb, die Chiefs verwandelten sich von „patriarchalischen Regenten in habgierige Gutsherren“. Die Chiefs wurden zu den Lairds.

Für die ehemalige Klasse der Tacksman hatten die Lairds keine Verwendung mehr. Ein „Factor“, eine Art Geschäftsführer genügte, um künftig das Land zu verwalten.

Dieser Treuebruch war von vielen Clans-Leuten kaum zu verstehen. Wer nicht zahlen konnte, wurde vertrieben – und das waren die meisten. Die Häuser und kleinen Dörfer wurden abgebrannt, fruchtbare und gepflegte Äcker im Landesinneren zu reinem Weideland degradiert – zuerst für Rinder, die nun massenhaft gezüchtet in die Lowlands verkauft wurden, später durch Schafe und deren Wolle. All das brachte mehr Geld als die Bauernpacht.

Was wurde aus den Vertriebenen?

Schafe in der Bucht bei Talisker
Schafe in der Bucht bei Talisker

Natürlich hatten die Großgrundbesitzer auch einen Plan für die vom Land vertriebenen. Sie setzten sie auf sogenannte Crofts, die meist an den Küsten gelegen waren. Crofts bestanden aus einem Haus und ein wenig Land. Doch dieses Land hatte nicht die Qualität der früheren Äcker im Landesinneren, der Crofter musste es erst urbar machen. Ein mühsamer Prozess, bei dem Steine fort geschafft und sogenannte Lazybeds angelegt werden mussten. Auch ein Wohnhaus musste der Crofter mit seiner Familie erst errichten. Das Schlimme: Je erfolgreicher der Crofter arbeitete, desto wahrscheinlicher wurde er von dort wieder vertrieben, denn das nun urbare Land wurde wieder vom Laird genommen – das Recht hatte er. Der Crofter konnte woanders von vorne beginnen.

Ein hartes Leben, das noch schwerer werden sollte. Denn das Croft war ja gepachtet vom Gutsherren, sprich: Es musste bezahlt werden. Das Croft selbst warf aber nur Nahrung für die Crofter selbst ab. Die Folge: Die Crofter wurden in zusätzliche Arbeiten getrieben.

Auf den Hebriden und an der Westküste zum Beispiel wurde Kelp, also großes Seegras, gesammelt und verbannt. Die Asche war voll Kaliumcarbonat und Soda, ein Grundmittel der damaligen Herstellung von Glas und Seife. Das Seegras gehörte rechtlich gesehen dem Landbesitzer, und natürlich strich der den Großteil des Geldes dafür ein.

Kurz: Die Lairds hatten ein System gefunden, wie sie Land freimachten und sich billige Arbeitssklaven hielten. Die Bevölkerung wurde an die Küsten gedrängt und verarmte. Die gälische Kultur der Highlands begann zu zerfallen.

Die Auswanderung nach Amerika

Die Highland Clearances sind ein Grund dafür, dass sich die Schotten quer über die Welt verteilten, denn viele mochten die Zustände nicht mehr ertragen und suchten ihr Glück in der neuen Welt. Dort waren die Chancen auf ein gutes Leben vielleicht sogar günstiger – auch wenn niemand seine Heimat verlieren möchte. Oft waren es die ehemaligen Tacksman, die hier noch einmal ihre Führungsqualitäten zeigten und die Auswanderung ganzer Familienzweige organisierten.

Diese Auswanderungswelle schwoll bald derart an, dass die Lairds Angst hatten, dass sie bald keine billigen Arbeitskräfte und Crofter mehr hätten. So wurde 1803 kurzerhand ein Gesetz erlassen, in dessen Folge der Preis für Schiffspassagen nach Nordamerika derart anstieg, dass es sich viele Highlander nicht mehr leisten konnten.

Die Folge: Viele landeten in den wachsenden Städten Edinburgh und Glasgow, wo manch einer immerhin Arbeit fanden.

Was waren die Folgen der Highland Clearances?

Fast die gesamte Bevölkerung der Highlands waren früher freie Bauern und Krieger. Innerhalb weniger Generationen waren sie zu armen Croftern verkommen, die abhängig von einer zusätzlichen Arbeit waren. Und das sollte bald in eine humanitäre Katastrophe führen.

Die Crofter hatten sich nämlich auf eine neue Pflanze verlassen, die leicht anzubauen war und eine gute Nahrungsgrundlage schuf: die Kartoffel. 1846 aber brach die Knollenfäule über das Land herein, ein Pilzbefall, der die gesamte Ernte in wenigen Wochen vernichtete. Die Folge: Jahre voll Hunger und Tod herrschten in den Highlands.

Das Ende der Clearances

Es war um 1880 herum, da hielten Ideen aus Irland Einzug, die auch durch eine Zeitung namens „The Highlander“ Verbreitung fanden. Sie ließ die Idee der gälischen Identität wieder aufflammen und sie förderte den Widerstand der Crofter, die nun endlich genug von der Willkür der Lairds hatten.

Es gab Aufstände, wie die „Battle of Braes“ auf der Isle of Skye. Hinzu kam eine linke Bewegung in ganz Großbritannien und eine eine Presse, die kritisch nachfragte. 1886 schließlich wurde der „Crofters Act“ verabschiedet, ein Gesetz, das zum Beispiel vor willkürlichem Vertreiben vom Land schützte.

Highland Clearances: Ein Strukturwandel mit viel Leid

Zu sagen, die Clearances seien von den Engländer im Nachgang des verlorenen Jakobitenaufstands als Rache am Land verübt worden, wäre zu einfach. Tatsächlich waren es die eigenen Clan-Häuptlinge, die hier das Unrecht verübten – und genau dieser gefühlte Vertrauensmissbrauch addierte sich noch zu dem Leid der Vertreibung.

Die Clearances waren ein Strukturwandel weg von einer gerechten und kommunalen Agrargesellschaft hin zu einem Turbokapitalismus, der wenige Lairds sehr reich, die meisten Highlander aber sehr arm werden ließ. Dass dieser Umbruch so plötzlich und brutal kam, macht die Highland Clearances zu etwas besonderem in Europa. Dass allerdings ein Strukturwandel in der Zeit der industriellen Revolution erfolgte, ist aus heutiger Sicht nachvollziehbar.

Die Gegenbewegung zu den Clearances rückte die gälische Kultur identitätsstiftend wieder in den Mittelpunkt der Highlandbevölkerung. Das ist sicher ein Grund, warum wir heute in vielen Landstrichen eine Rennaissance dieser Sprache und ihrer Musik erleben.

Mehr im Podcast/Video

Weitere Infos zu den Highland-Clearances findet Ihr im Podcast dazu, den es auch als Youtube-Video:

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Mehr Informationen

7 Kommentare zu “Highland Clearances – Vertreibung aus der Heimat

    Von Franz Josef Hay

    …kamen auch Auswanderer nach Ostpreussen ? Nautzwinkel an der Pregel ?
    Gruss joschi

    Von Gina Weiblen

    Hallo,
    meine Vorfahren kamen von Glasgow nach Ungarn. Warum gerade Ungarn????

    Liebe Grüße

    Gina

    Hallo Stephan Goldmann,

    ich habe gerade eben Ihren Vortrag über die Highland Clearances mit Spannung verfolgt. Ich verstehe wohl, dass die Highlands und die Highlanders angesichts des Fortschrittes, der sonst überall in Europa stattfand, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung „rückständig“ waren. Was ich auch noch nachvollziehen kann, ist dass dies die Highlands unter Druck setzte und eine gewisse Notwendigkeit mit sich brachte, etwas daran zu ändern.

    In der Geschichtsschreibung wird einem ebendies gerne vermittelt. Es MUSSTE sich etwas ändern. Die Landlords hatten, so wird es gerne dargelegt, gewissermaßen keine andere Wahl, als das Land produktiver zu machen. Man hört heraus „im Interessen des Landes“. Es erwächst dabei auf elegante Art und Weise die „unumgängliche Notwendigkeit“, weniger wertvolles Menschenleben gegen wertvollere Schafe auszutauschen. Um es kurz zu sagen: die wahre Triebfeder der Clearances lag vielmehr in dem unbedingten Drang der Landlords, ihren Stand und ihre Macht (auch und vor allem in Anbetracht der Mächtigen im British Empire und auf dem europäischen Festland) zu wahren und nach Möglichkeit gar zu mehren. Ihnen war selbstverständlich klar, das die Highlands nicht das abwarfen, was sie sich gerne versprachen. Und sie ergriffen daher Maßnahmen, um genau das zu ändern. Dabei war ihnen jede Maßnahme recht.

    Geht man von den wahren Absichten der reichen und mächtigen Landbesitzer aus, ist die Wahrheit mehr als beschämend. Noch beschämender ist aber, dass einem in der Geschichtsschreibung allzu gerne die „höhere“ Notwendigkeit vermittelt wird, sie hätten keine andere Wahl gehabt. Sie taten es ja schließlich, weil sie ihr Land „entwickeln mussten“. Tatsächlich muss man hier das Wort „Land“ austauschen gegen das Wort „Status Quo“. Das rückt ihre Absichten schon eher ins richtige Licht.

    Den Status Quo auf jeden Fall zu wahren war und ist bis heute erste Priorität der Mächtigen. Die echten Motive ihres Handelns zu verschleiern hat aber ebenso höchste Priorität. Das gesamte Narrativ der Geschichtsschreibung ist bis heute weltweit von diesem Muster durchwirkt. Dieses Narrativ soll die Geschichte in das gewünschte rechte Licht rücken und solchermaßen und nur solchermaßen weiter vermittelt werden.

    Mein Vorschlag: man muss sich (dringend) von dem Denken verabschieden, dass es keine alternative Handlungsmöglichkeiten gegeben hätte. Selbstverständlich hätte es welche gegeben. Aber sie standen nicht im Interesse der Landlords und wurden deswegen weniger bis gar nicht in Erwägung gezogen. „Reformen“ wurden und werden nur dann unternommen, wenn sie ihren Interessen dienten. Wenn dies nicht der Fall war, waren Reformen vollkommen uninteressant und waren nicht einmal der Erwähnung wert. Übrigens transportiert schon das Wort „Reform“ etwas Positives, aber dadurch eben auch etwas Verschleierndes. Inhaltlich gibt es gewiss treffendere Begriffe.

    Um es kurz zusammenzufassen:
    Im Nachgang kann man eine Menge Untaten rechtfertigen. Und dies umso leichter, als, zum einen, damals nun mal kein anderer Weg beschritten wurde. Und, zum anderen, nun, nach vielen Jahren, der damals beschrittene Weg rückblickend gerne als der einzig richtige wahrgenommen wird. Er lässt sich ja eh nicht mehr ändern. Es kann also kein Vergleich gezogen werden, wie es anders hätte laufen können, und das stärkt das Narrativ, dass es so, wie es gelaufen ist, mehr oder weniger in Ordnung war.

    Ich bin trotzdem dankbar für Ihren Input und bin für Diskussionen und weiterführende Gedanken offen.
    In diesem Sinne alles Gute!

    Robin Heckmann

      Hallo Robin Heckmann,

      danke erst einmal für die lange Einlassung. Sie zeigen da tatsächlich einen sehr schwierigen Sachverhalt auf – ich muss da auch gerade an den Begriff „presentism“ denken, den die New York Times in Bezug auf das Messen alter Filme mit heutigen Standards aufgebracht hat.

      Ich gebe Ihnen Recht, rückwärts blickend erscheint einen das Ergebnis als ein Imperativ. Was sich aber ja ständig verändert, ist der Blick auf die Geschichte durch das Wissen, dass die Geschichtswissenschaft generiert. So bin ich in den 1990ern bei meinen ersten Besuchen mir ganz anderen Narrativen konfrontiert worden: „Die Engländer wollten die Schotten ausrotten! Überhaupt war Culloden das Trauma der Schotten!“, etc pp. So eine Viktimisierung wird ja oft als eine Legitimierung für Taten herangezogen. So etwas möchte ich immer einmal hinterfragen.

      Das Interessante sind eben neue Erkenntnisse, die einige Autoren und Wissenschaftler sammeln. Das Werk, auf das ich mich hier stütze, bezieht sein Wissen aus Zeitungsarchiven, Urkunden und auch Rechnungen und Abrechnungen. Und dabei finde ich eben interessant, dass ein wesentlich differenzierteres Bild entsteht. Eines, das die Extreme hat – wie die Sutherlands – aber auch weniger thematisierte Vorgänge.

      Dazu kommt: Wenn wir die Idee des repräsentativen Lebensstils mit heutigen Maßstäben messen und es als reinen Egoismus sehen, treffen wir vielleicht auch nicht die volle Wahrheit. Das Repräsentieren war Teil des gesellschaftlichen Lebens der Elite und unterlag auch einem gewissen Zwang, der sie oft in den Ruin trieb. Das soll jetzt kein Freifahrtschein sein, sondern eine weitere Einordnung.

      Aber natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen: Man hätte sich ja mal um ganz andere Lösungen bemühen können. Auf der anderen Seite haben das einige auch versucht – wie Alexander MacLeod als Verwalter (an dotair bàn) auf North Uist. Er versuchte (wie einige andere auch) eine sinnvolle – heute würde man sagen: nachhaltige – Landentwicklung mit Blick auf die Versorgung der Arbeiter auf dem Land. Er ging dafür in Lieder ein – aber die wenigsten von uns kennen diese Geschichte.

      Auf jeden Fall nochmal danke für die bereichernde Perspektive.

      Viele Grüße

      Stephan Goldmann

    Von Hans Grunwald

    Hallo und guten Tag,
    Ich suche zu den Familien SPALDING und OGILVIE deren Besitzungen. Die Familien sind vor 1600 nach Schweden hier SPALDING ausgewandert, ein anderer Teil der Familie nach Plau in Mecklenburg, gibt es darüber weitere informationen?? Die Familie wurde in Schweden geadelt im Juli 1679 zu Ljungby Skåne.
    Die Familie OGILVY auch OGILVIE taucht ebenso um 1550 in Göteborg auf und wurde geadelt nr 277. Ein Familienmitglied der Familie OGILVIE war im Baltikum und hatte nach 1744 mit seinem Boot das Baltikum verlassen müssen. Gibt es dazu noch informationen ??
    Ogilvie gehörte zu der schottischen Königsfamilie , qwo hatte Ogilvie ihre Besitzungen und wie sa ihre Tracht/Kilt aus ?
    für eine Antwort wäre ich dakbar
    bleibt gesund
    hans grunwald

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