Forts, Dùns & Castles: Die Geschichte der schottischen Burgen

Bis zu 3.000 Burgen soll es in Schottland geben – viele nur noch als Ruine. Keine war wie die andere und über die Zeit entwickelten sich die Castles immer weiter. Ein Blick auf die Geschichte der Burgen.

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Schock: Ausgerechnet eine DER schottischen Vorzeigeburgen, die Eilean Donan Castle, ist eine Rekonstruktion. Sie wurde im frühen 20. Jahrhundert vollständig neu aufgebaut.

Viele andere Burgen sehen heute dagegen aus wie Schlösser. Und wieder andere, die wir als typisch Mittelalter ansehen, stammen aus der Renaissance. Noch andere sind komplett verschwunden.

Doch was ist überhaupt eine typische schottische Burg? Gibt es ein Original? Und wie haben sich Burgen über die Jahrhunderte entwickelt?

Antworten gibt es hier.

Der Begriff der „Burg“

Wenn wir in Deutschland über eine „Burg“ reden, dann meinen wir meist eine Wehranlage aus Stein, die im Mittelalter genutzt wurde. Der Clou: Die Menschen damals sagten selbst nicht Burg, sondern „hûs“, „turn“ oder „stein“. Bisweilen auch „Veste“.

Wenn wir dagegen heute „Schloss“ sagen, dann denken wir an einen eher schön herausgeputzten Adelssitz. Neuschwanstein-mäßig. Aber auch im Begriff „Schloss“ verbirgt sich eigentlich der Hintergrund der Wehrhaftigkeit. Hier wurde etwas umschlossen.

Und schließlich kennen wir noch das Herrenhaus oder Gutshaus. Da denken wir an einen großen Hof oder ein Schlösschen.

All diese Gebäude finden wir auch in Schottland. Und wie werden sie da auf Englisch bezeichnet?

„Castle“.

Der gebräuchliche englische Begriff unterscheidet schlicht nicht zwischen all den Formen, wie wir es im Deutschen tun. Und so treffen wir etwa auf Glengorm Castle – ein Herrenhaus im Baronial Stil -, auf Dunrobin Castle – ein veritables Märchenschloss – und auf Dunstaffnage Castle – eine mittelalterliche Burg.

Übrigens: Ähnlich ist es im Gälischen. Dort heißt der Begriff „Caisteal“.

Beides wurzelt im Latein: Ein Castrum war ein großes, befestigtes Heereslager. Der kleine Bruder des Castrums war das Castellum. Und von dem leitet sich die „Castle“ ab.

Natürlich gibt es auch im Englischen weitere Begriffe: etwa „Fort“ für die späteren militärischen Festungen. Und im Gälischen kennen wir noch den Begriff „Dùn“. Eigentlich für frühe Befestigungsformen gebraucht, findet der sich bei unglaublich vielen schottischen Burgnamen wieder:

Dunvegan, Dunstaffnage, Duntulm, Dunnottar, Dunollie, Dunrobin …

So, jetzt wissen wir, wie wir Burgen bezeichnen, aber: Was IST eine Burg denn nun?

Definition einer Burg

Machen wir einen Test: Wenn Ihr die Augen schließt und Euch eine Burg vor die Augen führt, wie sieht sie dann aus? Steinmauer? Zinnen? Ein spitzer Turm? Eine Zugbrücke? Alles nicht falsch. Aber halt auch nicht unbedingt eine einheitliche Definition.

Denn die Periode, die wir als Mittelalter bezeichnen, dauerte grob gesagt tausend Jahre. Von 500 bis etwa 1500 nach Christus.

In dieser doch recht langen Zeit hat sich die Kriegstechnik ständig verändert und verbessert. Und das bedeutet, dass auch Burgen sich ständig verändert haben.

Also, was ist dann eine Burg? Laut Wikipedia ein „geschlossener, bewohnbarer Wehrbau“. Also: Jemand hat darauf gelebt und man konnte sich verteidigen gegen Feinde.

Unter dem Aspekt können wir schauen, was in der schottischen Geschichte zu der Definition passt.

Die Zeit vor dem Mittelalter

Wir starten kurz in der Eisenzeit. Also in der Zeit von 800 v. Chr. bis 100 n. Chr. Denn auch da gibt es schon befestigte Anlagen in Schottland.

Und die können wir heute auch noch sehen: etwa die beeindruckenden Brochs und Reste der großen, ummauerten Forts.

Wenn Ihr welche besuchen wollt: Tolle Brochs sind zum Beispiel Dun Carloway auf der Insel Lewis, Dun Troddan und Dun Televe bei Glenelg oder Broch of Gurness auf Orkney. Eisenzeit-Forts könnt Ihr etwa die Caterthuns nahe Edzell in Angus bewundern.

Dun Telve Broch nahe Glenelg
Dun Telve Broch nahe Glenelg

Diese Befestigungen waren zumindest zum Teil mit Stein gebaut und haben dadurch die Zeiten überstanden.

Ich erwähne diese Orte deswegen, weil sie oft auch noch in das Mittelalter ausgestrahlt haben. Einige Brochs etwa werden noch sehr lange ins frühe Mittelalter genutzt. Ähnlich bei den Forts: Da die Befestigungen meist in strategisch günstigen Orten gebaut waren, nutzten die Menschen im frühen Mittelalter sie einfach weiter. Sie bauten sie um und aus. Die Forscher sprechen in dem Fall von ‘multi-phase forts’.

Das frühe Mittelalter

Wir erreichen das frühe Mittelalter. Etwa so um 600 nach Christus herum. In Schottland entstehen gerade kleine Reiche: im Osten und Norden die Pikten, im Süden die Briten von Alt Clut und im Westen das gälische Dalriada.

Die kleinen Reiche der Schotten werden von befestigten Machtzentren kontrolliert. Und diese Zentren könnten schon der Definition einer Burg entsprechen. Denn sie sind wehrhaft und dauerhaft bewohnt.

Das Machtzentrum von Dalriada ist Dunadd. Und das schauen wir uns einmal kurz an:

Dunadd liegt auf einem kegelförmigen großen Felsen, einem Vulkanpfropfen. Vermutlich ist der damals umgeben von Marschland, kann also nur schwer zu Fuß erreicht werden.

Hat man es aber an den Fuß des Felsens geschafft, muss man durch einen Hohlweg auf ein zwischen zwei hohen Felsen eingelassenes Tor zugehen. Schon hier können Verteidiger von oben Steine oder Speere schleudern, wenn sie einen als Feind sehen.

Der Bereich am Fuß des Berges war bereits von einer dicken Mauer aus Stein geschützt, die drei Meter dick und vier Meter hoch war. Dazu kamen vermutlich noch hölzerne Palisaden.

Der Felsen von Dunadd
Der Felsen von Dunadd

Betritt man die Wehranlage, befindet man sich in einem ersten Hof, in dem es auch Wohngebäude und Werkstätten gibt. Etwas weiter den Hang hinauf liegt noch ein Hof – wieder von einer Mauer umgeben.

Noch eine Stufe weiter oben liegt ein weiteres ummauertes Werk. In ihm liegt zum Beispiel der zeremonielle Krönungsstein. Schließlich, oben auf der Kuppe, steht die Zitadelle, eine letzte steinerne Bastion. Von hier aus regieren die Herrscher über Dalriada.

Dunadd war also wirklich ein gut gesichertes Machtzentrum.

Und das Tolle: Man kann es noch immer besuchen, auch wenn die Wehranlagen nur noch zu erahnen sind.

Schauen wir kurz noch zu den anderen Reichen, den Pikten und Briten Deren Befestigungen sind sehr ähnlich aufgebaut.

Alt Clut etwa, das spätere Strathclyde, hat seinen Sitz auf dem Dumbarton Rock, der in die Mündung des Flusses Clyde hineinragt – nicht weit weg vom heutigen Glasgow.

Der Dumbarton Rock ist ein großer Vulkanpfropfen am Fluss Clyde.
Der Dumbarton Rock ist ein großer Vulkanpfropfen am Fluss Clyde

Die Pikten haben noch einen anderen Typ von Wehranlage im Norden und im Osten. Das sogenannte Promontory Fort. „Promontory“ beschreibt eine Landzunge aus Fels, die ins Meer ragte.

Der Vorteil: Auf so einer Landzunge muss nur eine Seite abgesichert werden. Auch hier gibt es Häuser, Werkstätten trennende Mauern. Eine solche riesige Anlage der Pikten liegt in Burghead am Firth of Moray.

Zusammengefasst: Im frühen Mittelalter nutzen die Völker auf Schottlands Boden den Verteidigungsvorteil, der von großen Felsen und Landzungen ausgeht. Sie bauen darauf Wehranlagen mit mehreren dicken Mauern und oft auch einer Zitadelle. Sie bewohnen diese Anlagen in Häusern und arbeiten in Werkstätten dort.

Im Prinzip waren das auch schon so etwas wie Burgen.

Wie endet diese Epoche nun, warum verschwanden diese großartigen Bauten?

Die Antwort: Kriege untereinander und die Invasion der Skandinavier ab 800 herum bereitet vielen dieser Forts ein gewaltsames Ende.

Dennoch wurden viele von ihnen bis ins Jahr 1100 hinein weitergenutzt.

Das Hochmittelalter

Wir kommen in die Zeit um 1100 nach Christus. Bei uns herrschen gerade die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Auf der Insle sind die Pikten und Gälen von Dalriada bereits zum Reich Alba verschmolzen, in den Lowlands hält bereits der Feudalismus Einzug. Die Inseln im Westen und Norden gehören noch zum norwegischen Reich. Hier haben sich teils Mischvölker gebildet, die Gall-Gaidheal. Im Süden werden die Engländer zu einem mächtigen Gegner. Und aus Frankreich immigrieren normannische Familien, wie die de Brus, Comyns und Balliols.

Sie bringen ihren eigenen Typus an Burg mit: die Turmhügelburg mit Außenhof. Auf Englisch Motte and Bailey. Eine Motte ist im Prinzip ein künstlicher Erdhügel mit einer Art Turm darauf. Der ist meist aus Holz, ebenso wie die Palisaden um ihn herum. Die Motte ist aber nur die Kernburg. Es gibt weitere Palisaden, die einen Hof bilden, in dem die Menschen leben.

Duffus Castle ist eine Ruine, die auf einem Hügel steht. Einst gab es auf diesem Hügel eine hölzerne Motte.
Duffus Castle

Die Motten mit Außenhöfen gibt es bis etwa 1250 hinein. Diese Art von Festung haben aber einen entscheidenden Nachteil für uns heute: Sie sind aus Holz. Das bedeutet: Sie überstehe die Zeiten nicht und wir können sie heute nicht mehr ansehen.

Immerhin kennen wir einen Ort, an dem einst eine Motte stand: Duffus Castle bei Elgin. Dort sieht man immerhin noch den künstlichen Hügel.

Kurzer Zwischenstopp auf unserer Reise durch die Zeit: Wir sind schon im Hochmittelalter! Und haben immer noch nichts, was so richtig unserer Idee einer klassischen Burg entspricht.

Aber jetzt kommen sie. So ab dem 12. Jahrhundert. Denn während es noch Motten gab, bildeten sich Mischformen, bei denen schon Stein mit verwendet wird. Und bald erscheinen die ersten reinen Steinburgen. Teilweise sehr simpel gebaut: eine Mauer um einen Hof, eventuell ein Turm daran. Im Inneren gibt es zwar Gebäude, doch die sind aus Holz und „lehnen“ sozusagen an der Steinmauer.

Ein Beispiel für so eine Burg ist Castle Roy im Speyside. Von vielen als langweilig missachtet, ist sie genau deshalb so wertvoll, weil sie kaum verändert wurde in den kommenden Jahrhunderten. Castle Roy ist eine der wirklich originalen Burgen. Aber sie schaut halt eher simpel aus.

Castle Roy ist eine simple viereckige Hofburg.
Castle Roy

Doch ab dem 13. Jahrhundert kommen schon komplexere Bauten auf. Immer öfter verfügen Burgen nun über einen Keep, auch Donjon genannt. Dieses mehrgeschossige Gebäude soll gleichzeitig Wohnung sein, im Kriegsfall aber auch Wehraufgaben übernehmen.

Umgeben sind sie von hohen Mauern, den Curtain Walls. Im Deutschen würden wir wohl am ehesten „Ringmauer“ dazu sagen. Dunstaffnage Castle zählt zu diesem Burgentyp. Erbaut ab 1220.

Dunstaffnage Castle ist von hohen Mauern umgeben.
Dunstaffnage Castle

Caerlaverock ist ein weiteres sehr berühmtes Beispiel: Wurde dort noch die alte Burg eher so erbaut, wie Castle Roy, sieht die neue Version nur 50 Jahre später schon aus, wie eine typische „Cuartainwall mit Keep“-Burg. Wer sich übrigens über den Namen wundert: Der keltische Begriff Caer heißt ebenfalls Burg. Er taucht im Walisischen recht häufig auf.

Ich denke, hier – also um 1300 herum – entstehen die Burgen, die wir uns als klassisch vorstellen. Als fast schon am Ende des Mittelalters. Die meisten davon werden aber über die kommenden Jahrhunderte immer mehr erweitert.

Burgen im Spätmittelalter

Gegen Ende des Mittelalters kommt schon wieder eine neue Bauweise auf. Eine, die ganz typisch für Schottland und Irland ist. Das Towerhouse. Eine sehr kompakte Burg. Quasi eine Sparversion auch für geringere Adelige.

Kinlochaline Castle ist ein Towerhouse
Kinlochaline Castle ist ein Towerhouse

Von außen sehen diese Burgen rechteckig und einfach aus. Im Inneren aber waren sie aber durchaus komplexer.

Gehen wir einmal von unten nach oben in einem typischen Towerhouse. Im Erdgeschoss befindet sich ein Lager, eventuell auch eine Küche. Um hinauf zu gelangen, nehmen wir die Wendeltreppe, die in das dicke Mauerwerk eingelassen und die von außen nicht zu sehen ist.

Wir erreichen die Halle im Obergeschoss. Hier wird das Big-Business gemacht und getafelt. Der Raum ist warm, dank des großen Kamins. Man kann sich in die Erker zurückziehen, die zu kleinen Fenstern führen.

Das nächste Stockwerk ist nicht geschlossen. Wir befinden uns auf einer Galerie, können auf die Tafel herabblicken. Kleine private Kammern gehen von der Galerie ab.

Schließlich erreichen wir das Dachgeschoss. Hier können wir auf den Wehrgang, von dem aus wir über das Land blicken. Sollten Feinde kommen, werden sie von hier aus ins Visier genommen.

Towerhouses sind eine ganze Weile in Mode. Ein szenisch schönes Beispiel ist Castle Stalker oberhalb von Oban an der Westküste.

Wir sind nun aber am Ende des Mittelalters angekommen, zirka im Jahr 1500.

Deutschland ist zu der Zeit ein Flickenteppich an kleinen Reichen unter der Herrschaft eines Kaisers.

Die Neuzeit

Erinnern wir uns kurz an die Definition einer Burg: Bewohnt und wehrhaft.

Doch in einem immer stärkeren Staat wird die Lage sicherer. Es ist nun weniger wichtig, wehrhafte Häuser zu haben. Stattdessen geht es mehr um Ansehen.

Ab der Renaissance werden Burgen ausgebaut zu Palästen. Wie etwa Stirling Castle. Zugleich kommen neue Paläste hinzu, wie etwa der Linlithgow Palace. Oder der Palast in Falkland. Towerhouses werden in dieser Zeit zwar weiter gebaut, werden aber wesentlich elaborierter: Es kommen weitere Flügel hinzu. Türme und Zinnen sind eher oft ein Zitat der Vergangenheit.

Ein schönes Beispiel dafür ist Crathes Castle im Aberdeenshire.

Mit der Vereinigung der Königreiche 1707 kommen mehr Forts im modernen Sinne auf. Die Ruthven Barracks, die Bernera Barracks und später das riesige Fort George. Reiche und Adelige errichten nun eher Schlösser oder Herrenhäuser. 1730 zum Beispiel das House of Dun nahe Montrose.

Burgen hatten da nur eine Chance: Entweder sie ließen sich umbauen zu Palästen – so wie Dunrobin Castle – oder sie verfielen. Anpassen oder verschwinden.

Zusammenfassung

Es gibt also nicht die typische oder originale, schottische Burg. Und selbst viele Burgen aus dem Mittelalter stehen ja auf ehemaligen Forts aus der Eisenzeit.

Fest steht: Wenn Burgen NICHT mit der Zeit gingen, dann war ihr Schicksal besiegelt. Aus dieser Sicht ist der Wandel ein wichtiger Teil der Geschichte.