Seit 600 Jahren steht sie mitten im Meer und trotzt den Wellen, nur die Zeit brachte ihre Mauern zum Einsturz. Dass Kisimul Castle heute dennoch zu bestaunen ist, verdankt sie einem Clan-Chief aus den USA.
Robert Lister MacNeil baute als Kind schon Modelle von Burgen. Eine hatte es ihm besonders angetan: Kisimul Castle auf Barra, die Burg seiner Vorfahren. Robert aber lebte zur falschen Zeit am falschen Ort. Als er 1889 in Amerika das Licht der Welt erblickte, hatten seine Vorfahren auf Barra die Castle und die gesamte Insel schon seit über 40 Jahren aufgegeben. Schulden hatten sie dazu gezwungen.
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Die damalige Bevölkerung hatte wenig Ehrfurcht vor der alten Burg. Sie nahmen sich Steine aus dem Gemäuer, die sie als Ballast für Schiffe einsetzten. Kisimul Castle verkam zur Ruine.
Dabei hatte die Burg in der Bucht von Castlebay fast 600 Jahre den Wellen des Atlantik und auch vielen Feinden getrotzt. Die MacNeils waren im 15. Jahrhundert ein Teil der Lords of the Isles, der Inselherren, die die Inneren und Äußeren Hebriden beherrschten. Zwar waren sie ein nicht so mächtiger Clan, doch wurde ihnen immerhin die Insel Barra zuteil. Ihre Trutzburg wurde Kisimul Castle.
Dass man nur mit einem Schiff zu Insel gelangt und gelangte, war normal für die Inselherren. Das Meer begriffen sie als Straße, die sie mit ihren wendigen Birlinns befuhren. Schnelle und wendige Segelboote. Und auch an Kisimul wird der Clan-Chief und sein Gefolge mit einer Birlinn angelegt haben.
Zur Zeit Roberts war von dieser Herrschaft nichts mehr übrig – nicht einmal mehr eine intakte Burg. Doch das könnte sich ja ändern.
Robert Lister MacNeil wuchs auf und wurde Architekt. Die Barra-Linie der Clan-Chiefs fand keinen geeigneten Nachfolger mehr, und so suchte man jenseits des großen Teichs. Fündig wurde der Clan bei Robert Lister MacNeil – mit 25 Jahren machte der Clan ihn zum Häuptling. Ein Chief ohne ordentlichen Stammsitz? Das konnte nicht angehen!
1937 kaufte Robert mit dem Geld seiner Frau Kisimul Castle. Und die nächsten 33 Jahre verbrachte er damit, dem Gemäuer wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Wobei: Alter Glanz stimmt vielleicht nicht ganz, denn Toiletten mit Wasserspülung und ähnliche Annehmlichkeiten gab es vor 600 Jahren noch nicht. Die Castle erhielt also ein neues Gesicht auf alten Grundmauern.
Wohnlich sieht es heute auf der Castle allerdings nicht unbedingt aus. Der Innenhof wurde zwar mittlerweile begrünt, doch in den meisten Zimmern herrscht Leere. Der große Saal wird dominiert vom Wappen, einigen Musketen, die in Culloden dabei waren und einem alten, großen Holztisch.
Doch Robert Lister MacNeil hatte seinen Lebenstraum verwirklicht. Kisimul Castle ist heute wieder das Clan-Zentrum der MacNeils. Robert wurde nach seinem Tod unter einer großen Grabplatte in der Kapelle beerdigt.
Wissen: Die MacNeils of Barra und Historic Scotland
“Siegen oder sterben” steht auf Lateinisch im Wappen der MacNeils. Der Clan beruft sich auf alte Wurzeln aus Irland: Der dortigen Uí Néills waren die Nachfahren des Hochkönig Nial of the Nine Hostages, einer legendären Figur des 5. Jahrhunderts. Ein Mitglied des irischen Clans namens Ánrothán Ua Néill soll im 11. Jahrhundert dann nach Barra gekommen sein.
Urkundlich wurden die MacNeils zum ersten Mal 1427 erwähnt in einem Dokument des Lords of the Isles. Es legte fest, dass Barra den MacNeils gehöre. Aus dieser Zeit stammen wohl auch die ältesten Teile von Kisimul Castle. Kisimul ist übrigens die Verballhornung des gälischen Namens Caisteal Chiosmuil, was übersetzt “Burg des Felsens in der kleinen Bucht” heißt.
In der Zeit nach den Lords of the Isles machten sich die MacNeils einen Ruf als Piraten, später waren sie Teil der königlichen Armee und Roderick MacNeil nahm an der Seite von Bonnie Prince Charlie am Jakobitenaufstand teil. Als er nach der Niederlage von Culloden wieder nach Barra zurückkehrte, verlegte er seinen Sitz bereits weg von Kisimul Castle.
1838 verkauften die MacNeils die Insel Barra aufgrund finanzieller Schwierigkeiten – 800 Jahre Herrschaft der MacNeils fanden damit ein Ende.
Nach Robert Lister MacNeil, der Kisimul kaufte, folgte sein Sohn Ian Roderick MacNeil als Clan-Chief. Er übergab im Jahr 2000 die Burg in die Hände von Historic Scotland, die sich um den Erhalt kümmert. Einige Quellen sagen, Historic Scotland müsse dafür jährlich einen Euro zahlen und einen Talisker Whisky. Ian Roderick starb 2010, heute ist sein Sohn Rory MacNeil der Häuptling des Clans.
Tipp: Die Runde mit dem Boot um Kisimul Castle
Haltet die Fotoapparate bereit, wenn Ihr die Burg wieder verlasst. Denn das Boot umrundet nun einmal die Castle, ehe es wieder nach Castlebay zurückfährt. Dabei kann man die Burg von allen Seiten sehen.
Aus meinen Aufnahmen habe ich hier einmal ein animiertes GIF der Kisimul Castle gemacht, so kann man einen Eindruck von allen Seiten gewinnen.
Persönliche Anmerkung: Kopf runter im kargen Gemäuer
Die Türen in der Burg sind zum Teil sehr niedrig. Es gibt Warnschilder, die immer wieder davor warnen, dass man auf seinen Kopf aufpassen möge. Doch die scheinen nichts zu fruchten – auch bei mir nicht. Denn sogar ich knallte mit meinen 1,76 Metern gegen den Querbalken der Tür im Turm.
Das Schöne aber: Ich befand mich wohl in so guter Gesellschaft an dieser Stelle, dass die Burg-Wärter an dieser Stelle ein dickes rotes Kissen angebracht hatten. Als Prellschutz. Und bevor jetzt jemand lacht: Erstmal selber nicht anstoßen.
Insgesamt war der Innenbereich der Burg allerdings nicht so interessant. Er ist dominiert von Zimmern und Sälen, die kalkweiß verputzt sind, an denen sich aber schon grüne Algen absetzen, die die Feuchtigkeit des Meerwassers begünstigen.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: “HS9 5XA” bringt einen nahe den Anleger der Fähre zur Burg.
Ohne Navi: Auf Barra gibt es eine große Ringstraße. Der folgt man nach Castlebay und biegt nach dem Ortseingang Richtung Tourist Information in die Pier Road ab. Dort einen Parkplatz suchen und den Anleger zur kleinen Fähre nach Kisimul suchen. Er befindet sich schräg gegenüber vom Café Kisimul.