Seiner Mutter war der Weg zur nächsten Kirche zu weit – darum baute er eine neue. St Conan’s Kirk ist nun eines der sehenwertesten Gotteshäuser in den Highlands. Was sie so besonders macht, steht hier.
Mit der neuen Eisenbahnstrecke wurde plötzlich ein entlegenes Gebiet in den schottischen Highlands interessant. Loch Awe, gelegen zwischen Oban an der Westküste und Tyndrum im Osten, war um 1870 herum ein entlegener Landstrich, nahezu menschenleer. Doch mit der Bahn kamen die Menschen. Einer von ihnen war Walter Douglas Campbell.
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Walter war einer von sechs Brüdern, die vom Blythswood-Gut nahe Glasgow stammten. Da er nicht der erste Sohn und somit Erbe war, suchte er hier einen neuen Wohnsitz. Eine kleine Insel im Loch Awe hatte es ihm angetan. Die Insel des Heiligen Conan – auf Gälisch: Innis Chonain. Der Heilige Conan sollte künftig ein Thema seines Lebens werden.
Mit Walter waren seine Schwester Helen und seine Mutter Caroline Agnes nach Loch Awe gezogen. Das Leben war lebenswert, einzig eine nahe Kirche fehlte – das nächste Gotteshaus lag in Dalmally, 7 Kilometer entfernt. Zu weit für Walters Mutter. Sie beschlossen eine “chapel of ease” zu erreichten, für all die, für die der Weg nach Dalmally zu weit war.
In nur fünf Jahren entstand das erste Gebäude bei Lochawe, ein einfaches Gotteshaus nur ein paar Meter von der Insel des Heilgen Conan entfernt. Der Name ergab sich dadurch fast von selbst: Saint Conan’s Kirk – Kirche des Heiligen Conan.
Schon 1886 galt die Kirche als fertig. Sie bestand aus einem einzigen Kirchenschiff, ausreichend, um darin einen Gottesdienst würdig zu feiern. Aber als vollendet sah Walter die neue Kirche noch lange nicht an. Als leidenschaftlicher Architekt hatte er weiterführende Ideen: St Conan’s Kirk sollte eine Kirche werden, die die wunderbaren Elemente und Strukturen aller schottischen Gotteshäuser aufwies – egal welcher Epoche sie angehörten. Walter ging es dabei um Ästhetik, nicht um historische Richtigkeit.
Ab 1907 begannen die Arbeiten an der neuen, erweiterten Kirche.
Wenn man sich heute von der Straße der Kirche nähert, wirkt sie zunächst unscheinbar. So eine hat fast jede Gemeinde. Doch gleich rechts schließt sich schon eine Besonderheit an, die Walter unbedingt bauen wollte: Ein Kreuzgang. Was eigentlich nur alten Klöstern vorbehalten war, hatte er auch hier nachgebaut. Dazu nahm er Steine aus einer abgerissenen Kirche in Glasgow, das Holz der Pfeiler stammt von einem großen Schlachtschiff, der “Duke of Wellington”, das Dach wurde mit aufwendig verziertem Blei gedeckt.
Nicht einen sondern drei Türme ließ er außerdem errichten und das Kirchenschiff wurde mit einem runden Chorgang abgeschlossen. Alles war ein kruder Mix aus verschiedenen Epochen der Kirchenbaugeschichte und dennoch scheint alles zu harmonieren. Walters Ideen balancieren perfekt zwischen Wahnsinn und Genialität.
Walter Douglas Campbell erlebte die Vollendung seiner Kirche nicht mehr. Er starb 1914 – unverheiratet und ohne Nachkommen. Doch seine Ideen trug seine Schwester Helen weiter. Sie kümmerte sich nach dem ersten Weltkrieg um den Weiterbau bis 1927, das Jahr, in dem auch sie aus dem Leben schied. Doch hatte sie vorher schon für die Zeit nach ihrem Tod gesorgt und so vollendeten Treuhänder 1930 die St Conan’s Kirk.
Heute gehört die wunderschön wirre St Conan’s Kirk neben der nahen Kilchurn Castle zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Gegend.
Wissen: Vom Heiligen Conan, die Baronets von Blythswood und der Duke of Argyll
Über den Heiligen Conan findet sich nur wenig. Die Kirchenwebseite gibt an, dass er der Schutzheilige von Lorne sei, also der Gegend rund um Oban. Zudem war er ein Schüler des Heiligen Columba, der das Christentum nach Schottland brachte. Er soll aus Irland stammen und in Glenorchy nicht weit von St Conan’s Kirk gelebt haben. Weiter entfernte Orte wie Killichonan, in denen sein Name vorkommt, weisen auf seine ausgedehnte Missionarstätigkeit hin.
Walter Douglas Campbell schien jedenfalls von Saint Conan derart angetan, dass er nicht nur die Kirche nach ihm benannte, sondern auch den Winterwohnsitz, den er oberhalb der Insel am Berg Cruachan errichten lies – er heißt St Conan’s Tower.
Die Webseite des Conan Towers schreibt dabei, dass Walter der Urgroßvater des heutigen Duke of Argyll Torquhil Campbell sei, die englische Wikipedia hat es direkt abgeschrieben und so setzt sich wieder einmal ein Fehler massenhaft im Internet durch. Denn Walter Douglas Campbell war kinderlos. Woher dann dieser Fehler kommt? Ganz einfach: Der Ur-Großvater des heutigen Duke of Argyll hieß Douglas Walter Campbell – da schleicht sich schnell ein Dreher ein.
Tatsächlich hatte Walter zunächst sehr wenig mit den Campbells zu tun, er ist ein geborener Douglas. Erst als er von seinem ebenfalls kinderlosen Bruder den Titel “Baronet of Blythwood” erbte, nahm er wie sein Bruder den Nachnamen Campbell mit an. Den Blythswood-Titel führte er bis zu seinem Tode, danach übernahm ihn ein weiterer Bruder und nach seinem Ableben dessen Sohn. Der starb 1940 in einem Autounfall. Mit ihm erlosch der Titel.
Tipp: Was es in und um St Conan’s Kirk zu sehen gibt
Die Saint Conan’s Kirk steckt voller Details und Überraschungen. Hier einige Dinge, auf die man achten kann:
- Die Wasserspeier auf der Süd-Westseite sind keine hässlichen Gargoyles, wie sonst oft zu sehen. Stattdessen jagt hier ein Hund zwei Hasen.
- In der Bruce’s Chapel gibt es eine übergroße Statue von Robert the Bruce auf einem Sarkophag zu sehen. Natürlich liegt der König hier nicht selbst, die Kapelle erinnert an die Schlacht des Pass of Brander, die er oberhalb der Kirche geführt und gewonnen hat. Angeblich befindet sich außerdem ein Knochenstück des Königs in dem Sarkophag. Die Statue hat ein Gesicht aus Alabaster. Wenn das Licht durch das Fenster fällt, ergibt das eine wunderbare Szenerie.
- Die Holzabschirmung rund um die Orgel hat Walter Campbell selbst geschnitzt.
- Es gibt etliche Buntglasfenster.
- Drei verschiedene Türme sind verbaut: Ein viereckiger mit Spitzdach am Eingang, ein achteckiger am Klostergarten und ein viereckiger, schmaler an der Südseite. Alle drei sind aus völlig unterschiedlichen Epochen kopiert. Dazu kommt noch ein kleinerer Turm neben dem Südeingang und eine Art Bastion am Südwestende.
- Ein Stück weiter vom Eingang zur Straßenseite steht auf einem Hügel ein keltisches Kreuz. Es erinnert an Helens und Walters Mutter, wegen der die Kirche gebaut wurde.
Und natürlich noch vieles mehr. Wie gesagt: Die Kirche ist voller Details.
Persönliche Anmerkungen: Endlich diese Kirche sehen
Beim ersten Mal sind wir an der Kirche glatt vorbeigefahren. Von der Straße sieht sie eben sehr unscheinbar aus. Auf Fotos in Facebook sah ich dann jedoch die Süd- oder Seeseite von St Conan’s Kirk. Seitdem wollte ich unbedingt wieder dorthin. Bei einem Kurztrip nach Glasgow konnte ich den Besuch dort endlich möglich machen. St Conan’s Kirk finde ich nun eine der schönsten Kirchen in Schottland überhaupt. Sie verbindet eine wunderbare Lage mit einer bemerkenswerten Architektur.
Anfahrt:
Mit Navigationsgerät: “PA33 1AQ” bringt einen nach Loch Awe. Dort an der Straße die Augen offen halten nach der Kirche.
Ohne Navi: Von Edinburgh über die A84 oder Glasgow die A82 bis zur A85 fahren und dieser nach Tyndrum und dort weiter Richtung Oban folgen. Fahrtzeit von den beiden Städten um zwei Stunden.
Von Inveraray fährt man auf die A819 (die in Inveraray unter den Bögen abzweigt) und trifft nach längerer Fahrt auf die A85 nach Oban, hier links abbiegen, durch Loch Awe und wieder links auf die Kirche achten. Fahrtzeit etwa eine halbe Stunde.
Von Oban aus kommend nimmt man die A85 und schaut rechter Hand vor dem eigentlichen Ort Lochawe nach der St Conan’s Kirk. Fahrtzeit etwa eine halbe Stunde.
Für die Kirche gibt es kein braunes Hinweisschild, sondern lediglich ein kleines weißes Schild. Gegenüber der Einfahrt zur Kirche ist eine lange Parkbucht, die benutzt werden kann. Bitte Achtung, die Stelle ist nicht sehr übersichtlich.
Hatte letzte Woche, April 2019, auch diese Kirche besichtigt. Sie ist schon, wirklich recht sehenswert und interessant. Man könnte sich hier leicht in dem Gefühl verlieren sich in einer alten Kirche mit frühzeitlichen oder mitteralterlichen Ursprungs der schottischen Chistianiesierung zu befinden. Aber dem ist nicht so. Das bemerkte ich insbesonders nach dem Besuch der nahe gelegenen Insel Iona, hier beim Besuch der Kirche des Heiligen Columban, echten Ursprungs aus dem 500 Jahrhundert. St. Conan ist schön anzusehen aber eben nur eine neuzeitliche Erfindung. Eher zu betrachten als ein Museum interessanter Art der Zusammenfügung verschiedenster Baustile. Aber nicht höher zu setzen als die wirklichen Bauten des Anfangs der schottischen Christianierung und seien es auch noch Mauernreste oder gar nur Steine, Fragmente davon. Dem Ort fehlt leider die Historie und Heiligkeit im Gefühl. Dennoch, ich gebe es zu, recht nett und schon sehenswert.